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Erinnerungen

Till

Tristan,


am 14.März kamst Du zur Welt. Genau an dem Tag, an dem ich hätte geboren werden sollen. Ich hatte es eiliger und kam zwei Wochen vorher. Du hast Dir ganz gemütlich Zeit gelassen – warum auch Stressen? Das hast Du nie, dich gestresst wegen irgendetwas. Du hast allem immer mit Gelassenheit und einer riesengroßen Portion Optimismus entgegengeblickt. Und tatsächlich: Alle Situationen, die normalerweise stressen, hast Du immer (irgendwie) gemeistert. Dazu hast Du Dir aber auch die verrücktesten Ausreden und Ideen einfallen lassen. Ideen hattest Du immer viele etwa 2%produktiver Art die restlichen 98% spaßiger Art. Ich weiß noch in Grünstadt haben wir schon vor übermäßig leichtsinnigem Alkoholgenuss in jüngsten Jahren Schwachsinn (der zum Großteil immer den 98% Deiner Spaß-Ideen entsprang) angestellt. Spätestens wenn Du irgendwoher Deine weiße, zerknitterte Plastiktüte mit gesammelten Feuerwerken der letzten vier Jahre Silvester ausgepackt hast, flogen Funken.
Dass Du eigentlich immer ein Kind warst, macht Dich sooo liebenswert.
„Hast Du was angestellt, Tristan?“ „…HiHiHi….öhmmm Nein!“ Mit diesem verschmitzten Lachen, das du dabei gemacht hast, hast du um dich geguckt. Du hast selten etwas zu ernst genommen und einfach Spaß gehabt. Mit diesem Lachen bleibst Du mir im Kopf.
Leider haben wir uns dann nicht mehr so oft gesehen. Klar beim feiern. Nicht zuletzt in Grünstadt. Nichtsdestotrotz sind wir beste Freunde.
Letztes Jahr Silvester hast Du mich angerufen, um mir unter Tränen für den Brief an unsere Freundschaft zu danken. Hundertmal haben wir uns dann verheult gesagt wie sehr wir den anderen lieben.
Und dann bist Du nach Australien und ich weiß Du hattest eine gigantische Zeit und so so viel Spaß. Das freut mich so sehr für Dich.
Mhh ja in 19 Jahren kann sehr viel und ist sehr viel passiert. Ich könnte seitenweise über die schöne Zeit schreiben, die ich mit Dir erlebt habe. Das hier ist mir ein kurzer Umriss der Zeit, die ich mit Dir haben durfte.

Als junger Mensch fühlt man sich unsterblich und unbesiegbar. Die Welt steht einem offen, nichts und niemand kann einen aufhalten. Naja so hab ich gedacht für mich und meine kleine Welt. Für mich war Dein Verlust nie Thema, über so etwas habe und wollte ich nie nachdenken. Deswegen schmerzt es jetzt so unbeschreiblich sehr, dass Du unerwartet von uns geschieden bist.
Ich will nicht fragen warum oder wieso. Auch nicht wer Schuld daran hat oder sonst etwas. Ich will nur, dass Du weißt: Erst wenn ich aufhöre an Dich zu denken und mich an Dich zu erinnern, dann wärest Du wirklich fort. Aber das wird NIE passieren!
Deine greifbare Seite mag mir nun fehlen, aber unsere Freundschaft hat mehr als nur eine Seite, sie geht viel, viel tiefer.

Tristan, ich werde Dich nie vergessen!

In Liebe, Dein Freund Till


Dein Tod ist jetzt schon so lange her…. ein halbes Jahr in etwa. So eine lange Zeit in der ich weitergearbeitet und gelebt habe wie davor. Der schlimmste Tag war deine Beerdigung. Kein Tag in meinem Leben war dunkler als dieser. Ich hatte damals die Hoffnung, dass der Schmerz mit der Zeit vielleicht besser wird, nach diesem Tag…Er ist nicht verschwunden und auch nicht besser geworden.
Die Abstände in denen ich mich erinnere werden unregelmäßig und größer, und jedes Mal wenn ich mich erinnere tut es mehr weh als vorher. Ich mache weiter wie vorher aber ich komme mit dem Schmerz nicht klar, deswegen weiche ich ihm aus und höre auf über ihn nachzudenken. Und wenn er wieder kommt, der Schmerz, ist er stärker als zuvor. Wie ein Feind den ich nicht besiegen kann und der aus meiner Schwäche – mich mit ihm zu konfrontieren – immer stärker wird. Jedes Mal werde ich überwältigt. Dann weine ich. Ich weine lange und tief und manchmal gehe ich dich dann an deinem Grab besuchen, wenn mich meine Trauer dorthin führt. Danach geht es besser. Wieder so lange bis der Schmerz zurückkommt. Auch nach dieser langen Zeit ist alles so traurig wie zuvor. Nichts hat sich gebessert. Ich frage mich ob ich jemals mit dem Schmerz deines Todes zurechtkommen werde. Ich weine einfach weiter, das hilft. Sich treiben zu lassen in dem Schmerz wie ein kleines Stück hilfloses Holz im Wasser befreit. Und jedes Mal treibe ich mehr und mehr, die Wellen werden immer höher. Irgendwann hoffe ich auf eine klare See, der Schmerz ist aber im Moment zu groß, die Wellen bleiben. Ich weine einfach weiter. Ich vermisse dich so sehr…
Wie sehr würde ich mir wünschen du wärest noch hier. Wie viel hätte ich dir noch zu sagen, wieviel hätten wir noch zu lachen.

Tristan ich vermisse dich.

Till


Heute ist der Tag an dem du mich letztes Jahr verlassen hast. Ein ganzes Jahr ist vergangen ohne, dass ich mich besser mir deinem Fehlen abfinde. Jedesmal wenn ich daran denke dich nie wiederzusehen wird mir von Neuem klar was Verlust bedeutet. Und sind es meistens die kleinen Nichtigkeiten des Alltags die in mir die heftigsten Reaktionen darauf auslösen. Ich ertrage an manchen Tagen keinen Menschen zu sehen. Jeder von ihnen könnte morgen fort sein. Und man selbst bleibt zurück und leidet. Ich vergehe an dem Gedanken, dass ich diesen Schmerz jedes Jahr aufs Neue aushalten soll. Jedes Jahr an diesem Tag. Jedes Mal genauso stark wie vor einem Jahr. Wer soll mit so einer Last zurechtkommen? Wieviel kann denn ein Mensch aushalten? Manchmal weiß ich nicht wohin und was tun, wenn ich um dich weine. Meine Wohnung widert mich dann an, ich weiß nicht wohin, gehe stundenlang spazieren und lasse die Welt unbeteiligt meiner Emotionen an mir vorbeiziehen. Ich schaue auf die Welt wie ein Außerirdischer, der das erste mal einen Baum sieht. Nur das mir die Begeisterung dafür fehlt, mehr scheint alles wie ein endloser Film den man schon tausendmal gesehen hat, der einen langweilt, der nichts mehr auslöst. Diese Tage sind wie kleine schwarze Löcher, die alles in meiner Wahrnehmung einsaugen und im Dunkeln festhalten. Nichts kann aus ihnen entfliehen. Wieder: Jedes Jahr wird dieses Gefühl wiederkommen. Jedes Jahr aufs Neue. Zum Glück hilft mir an diesen Tagen einfach Stunden bei dir zu sitzen. Dein Eichhörnchen schaut vorbei und alles ist friedlich und in angenehmes Sonnenlicht getaucht. Auf der Bank bei dir lässt sich so ein Tag aushalten. Ich sitze gerne dort.


Schon zwei lange Jahre sind verflogen seit du gehen musstest. Zwei Jahre sind eine ewige Zeit, vor allem wenn man jung ist.
Ich werde den Gedanken nicht los diese Zeit nicht genutzt zu haben für unsere Freundschaft. Immernoch fällt es mir schwer dich an deinem Grab zu besuchen. Und immer wieder muss ich mich überwinden dorthin zu gehen. In diesen zwei Jahren hat sich nichts dran geändert. Denke ich zu wenig an dich? Ist die Trauer verflogen?

Verdrängen muss ich, um meinen Alltag leben zu können. Wie oft aber habe ich abends alleine in meinem Bett geweint. Trauer kann nicht fliegen, sie ist viel zu schwer. Immernoch da und immernoch gleich schwer. Mein Kopf dreht Kreise die keinen Sinn ergeben und fragt sich Dinge auf die kein Mensch der Welt Antworten weiß. Gedanken an dich habe ich, denke also nicht zu wenig an dich.

Heute habe ich dich erst spät besucht, weil ich arbeiten musste. Ich denke es war etwa 23 Uhr. Mondlicht, Stille und ein in tiefes Dunkel getauchter Friedhof. Die ersten Bäume blühen und leuchten im weißen Mondlicht. Ein fast schönes Bild. Und jedes Jahr zur gleichen Zeit blühen diese Bäume, immer dann wenn ich dich am 11.4. besuchen komme. Immer dann – ob nach zwei oder mehr Jahren – wird der Friedhof mit seinem Garten für mein Gedenken an dich aufblühen. 

In vollen Blättern stehen die Bäume dort bis in den Winter, bis dahin kann niemand leugnen, dass sie grün sind. Im Winter verlieren sie ihr Grün aus den Augen, im Frühling blüht es schlagartig auf und die Menschen erinnern sich, was Hoffnung und Leben heißt. Ebenso wie das Blattgrün leuchtet meine Erinnerung auf und schwindet – nie aber verliert man den Stamm des Baumes aus den Augen.
Der Kern dessen woran meine Erinnerung und meine Gedanken hängen steht mehrere Menschenleben lang fest im Grund.

Seit zwei Jahren spüre ich wie die Erinnerungen kommen und gehen, immer sind welche im Geist, mal mehr, mal weniger. Fest verwurzelt bleibt die Erinnerung an dich und die Trauer um dich. An einem Tag wie dem diesen denke ich umso mehr an dich.

Auch nach zwei Jahren vermisse ich dich nicht weniger.

Till, 11.4.22

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